September 2017

Herr Blum, das Eröffnungsstück einer neuen Saison ist auch immer richtungsweisend. Wa- rum haben Sie sich für Parsifal entschieden? Der Regisseur Achim Freyer ist zwar schon jenseits der achtzig, aber immer noch ein Revo- lutionär. Der Parsifal ist ein Stück, das ihm liegt. Wagners Tendenz aus dem Mythos zu schöpfen ist ihm sehr nah. Freyer arbeitet nie nach einem „Konzept“, sondern geht von der Formensprache des Mythos aus, von Zeichen, Masken, Kostümen und der Malerei (Foto). Dabei spielt die zeitge- nössische Bedeutung der Figuren keine Rolle, sondern er dockt an dem Archetypischen, dem Universellem an. Daraus entwickelt er eine Art Bildsprache, die sehr klar ist und weit weg von tagesaktueller Interpretation. Der Eröffnungsabend wird mit der Aktion „Wag- ner Ahoi“ zum Fest ... Bevor die Premiere zeitversetzt auf den Jung- fernstieg übertragen wird, findet das Partizipa- tions-Projekt „WagnerAhoi!“ statt. In diesem Jahr haben wir ein rund 150-köpfiges Bläseror- chester zusammengesucht mit Laien aus ganz Hamburg. Zudem konnten wir „German Brass“ dafür gewinnen, eine Bläsertruppe, die sich durch alle Genres spielt und im letzten Jahr den Echo Klassik gewonnen hat. An dem Abend werden alle zusammen ein extra dafür geschrie- benes Arrangement spielen. Und am Vorabend gibt es ein Late-Night-Konzert von „German Brass“ in der Oper. Vor zwei Jahren hat Georges Delnon die Staatsoper übernommen mit der Ansage, dass die Hochkultur raus aus seinem Elfenbeinturm müsse, rein in die Stadt. Wie ist es bisher ge- laufen? Mit einigen Projekten hat das bereits gut funkti- oniert. Wie zum Beispiel die Produktion „Erzitt- re, feiger Bösewicht!“ Gemeinsammit „The Young ClassX“ haben wir eine stark gekürzte Zauber- flöte an unterschiedlichen Orten, wie die Fabrik, gespielt. Über dieses Jugendensemble haben wir viele Schüler erreicht, die zum ersten Mal gesehen haben, was Oper alles sein kann. Eine tolle Kooperation, die wir fortführen werden. Das traditionelle Opern-Programm haben Sie auch etwas aufgemischt … Die ungewöhnliche Version der „Die Zauberflö- te“ von der Regisseurin Jette Steckel im letzten September war ganz wichtig. Die etablierten Kritiker mochten diese Inszenierung überhaupt nicht. Ich glaube, so ein Buh-Gewitter ist ihr bei einer Premiere noch nie entgegengeschlagen. Aber wir sehen bei diesem Stück ganz andere Zuschauer als sonst und genau solche Produk- tionen dringen nach draußen. Natürlich werden wir die etablierte Ästhetik nicht ganz verlassen, denn diese ist genauso ein Teil des Hauses. Aber irgendwann wird eine ganze Generation nicht mehr im Zuschauerraum sitzen, weil sie einfach gestorben ist, und wir müssen den Nachwuchs abholen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, der Spaß macht und auch funktioniert. Haben Sie ein persönliches Highlight in der kommenden Saison? Mein Favorit ist die Produktion „I.th.Ak.A.“ in der Opera stabile. Das ist die Uraufführung von Sa- muel Penderbayne im Rahmen seines Stipendi- ums, das er gewonnen hat. Eine zeitgenössische Aufarbeitung des Mythos von Odysseus, die er ins Internet verlegt hat, wie eine dystopische Zukunftsvision. Interview: Hedda Bueltmann AB 15. SEPTEMBER Parsifal in der Staatsoper (Premiere), Bläser-Konzert und Übertragung auf den Jungfernstieg ab 19:45 Uhr theater 33 Oper für alle PARSIFAL Wagners Parsifal ist schwerer Stoff. Die Staatsoper macht daraus ein Happening für alle und projiziert die Premiere zeitversetzt am Jungfernstieg. Chefdramaturg Johannes Blum im Gespräch über die Inszenierung von Achim Freyer und die neue Ausrichtung der Oper Abbildung: Achim Freyer, „fal“ 2017

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